Wenn man dort unterwegs ist, wo sich kaum Touristen verirren, lernt man das wahre Nepal erst wirklich kennen. Seien wir mal ehrlich, egal wo der Tourismus Fuß gefasst hat, geht Kultur verloren. Denn der Tourist, so sehr er sich nach „authentischen Erfahrungen“ sehnt, trägt selbst massiv zu diesem Problem bei, indem er nach gewissen Standards verlangt. Er lebt in einer Blase. Wie kann er beurteilen, was „authentisch“ ist, wenn er noch nie zuvor im Land gewesen war? Daher wird auch an beliebten Reisezielen eine „authentische Kultur“ künstlich vorgetäuscht, in die sich Einheimische hineinzwängen müssen, nur damit der Tourist glücklich ist, das „wahre Nepal“ kennengelernt zu haben.
Darum bin ich auch so froh, dass wir für unsere eigenen Projektreisen immer Regionen aussuchen, die so entlegen und unscheinbar sind, dass Touristen sich nicht für diese interessieren. Die Begegnungen mit Menschen sind mir ungemein wichtig, weil ich nur so mehr über Nepal lernen kann. Es ist nicht nur die Lebensweise dieser Menschen, sondern auch die Art, wie gesprochen wird; was gesagt wird; und die Geschichten, die erzählt werden; die mich so faszinieren. Ich sauge wissbegierig meine Umwelt auf, beobachte vieles und erfreue mich schon an Kleinigkeiten – besonders die der kulinarischen Art.
Wie beispielsweise diesem butterzarten Stück Bergziege, das vor mir in dem kleinen Schälchen liegt. Mariniert und wie so typisch in Nepal komplett durchgebraten, hatte ich ein Stück trockenes und zähes Fleisch erwartet. Doch diese Stückchen lassen meinen Gaumen Freudensprünge machen. Das Ehepaar, in dessen Farmhouse wir heute die Nacht verbringen werden, freut sich über mein kulinarisches Lob.
Gesättigt verschwinde ich in mein Zimmer, das provisorisch in einen Schlafraum umgewandelt wurde. Decken wurden auf dem Boden ausgebreitet. Denn ein Bett steht hier keines. Ich finde es trotzdem gemütlich und finde halbwegs Schlaf. Gut ist er nicht, aber bei weitem nicht so schlimm wie noch im Geisterhaus vor wenigen Tagen.
Beim Packen am nächsten Morgen erhasche ich einen rauchigen, fleischigen Geruch an mir und sämtlichen Klamotten. Wie kann das sein? Mein Blick schweift durch das Zimmer. Am hinteren Teil der Zimmerdecke ist eine Schnur gespannt, auf der geräuchertes Bergziegenfleisch zum Trocknen aufgehängt wurde. Alles an mir hat diesen Geruch aufgesogen. Ich wurde über Nacht geräuchert!
Alle Beiträge von meiner 11. Nepal-Reise findet hier in chronologischer Reihenfolge.
Karin Osswald
Lieber khai
Das war wieder ein ganz wunderbarer Bericht.
Du sprichst mir aus der Seele. Auch ich sauge egal wo ich hinreise alles auf und bin dafür auch gerne bereit Abstriche meines hiesigen Lebens zu machen. Dafür findet man Gastfreundschaft und Kultur welche einen wieder erdet und zum nachdenken bringt.
Danke für deine Reiseberichte.
LG Karin
Khai-Thai
Liebe Karin,
vielen Dank für deinen schönen Kommentar 🙂
Es freut mich sehr, dass dir meine Reiseberichte gefallen.
Vielleicht sieht man sich irgendwann mal in Nepal.
LG Khai