Covid-19 in Nepal – Behandlungskosten fortan selbst bezahlen

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Während wir in Deutschland – mal wieder – nur am Meckern sind, Klopapier wie bekloppt horten, Facebook als wissenschaftliche Quelle anerkennen und genug davon haben, uns von einer „Diktatur“ unsere „Freiheit“ rauben zu lassen, gibt es unzählige Menschen auf der Welt, die in echter Not und Misere stecken. Hashtag „firstworldproblems“ sage ich da nur…

Wie ihr bestimmt schon wisst, musste die nepalesische Bevölkerung zwei harte Lockdowns durchleben. Staatliche Unterstützung Fehlanzeige. Insgesamt stand das Land über 4 Monate still. Hunger und Zukunftsängste machten sich in der Masse der Bevölkerung breit, während die politischen Führungskräfte und die wohlhabende Elite nichts von der Misere mitbekamen. Warum an der Politik also etwas ändern, wenn es denen, die die Entscheidungen treffen, doch so gut geht.

Während in Nepal die Zahl der Covid-19 Infizierten rasant zunimmt und das Gesundheitssystem nicht unbedingt zu den besten der Welt gehört, ließ die nepalesische Regierung die nächste Bombe platzen. Per Verordnung sollen Covid-19 Patienten fortan für ihre Behandlungskosten selbst aufkommen. Krankenhäuser (auch staatliche) werden nicht mehr den Großteil der Kosten für die Erkrankten übernehmen.

Die Verordnung im Original und mit grober Übersetzung

Freie Übersetzung eines nepalesischen Freundes ins Englische:

As per the decision of the Ministry of Health and Population, the patients undergoing treatment for corona infection in this hospital will have to bear the entire cost themselves with effect from 2 October 2077. Also, the food will be available at the hospital, canteen with cash deposit.

  • Patient with mild symptoms shall pay Rs. 3500 per day (General Ward)
  • Patient with more symptoms shall pay Rs. 7500 per day (High Dependency Unit)
  • Patient with extreme symptoms shall pay Rs.15000 per day (Intensive Care Unit)

Grobe Übersetzung ins Deutsche:
Mit dem Beschluss des Gesundheitsministeriums müssen sämtliche Behandlungskosten selbst getragen werden. Je nach Heftigkeit der Symptome (mild, mittel, schwer) können bis zu 15.000 NPR pro Tag verlangt werden.

Behandlungskosten müssen fortan selbst getragen werden.
Die Verordnung, die nun in den Krankenhäusern aushängt und die zukünftigen Behandlungskosten für Covid-19 Patienten erklärt.

Fragwürdige Entscheidungen inmitten der Covid-19 Krise

Wie man diese Entscheidung treffen kann, während wir weltweit auf eine Zweite Welle zusteuern? Vielleicht fühlt sich die nepalesische Regierung wie ein B-Promi, das alles tun möchte, um in den Schlagzeilen zu bleiben. Je kontroverser, desto besser. Je schockierender, desto mehr Interaktionen auf Facebook. Hauptsache Menschen sprechen über einen. Ganz nach dem Motto: „Es gibt keine negative Publicity. Jede Publicity ist gute Publicity.“ Das ist meine einzige Erklärung. Oder wie erklärt ihr euch, weshalb Monate zuvor inmitten des zweiten Lockdowns, die Regierung Banken wieder öffnen ließ, damit die Bevölkerung ihrer Steuerlast nachkommen kann??

Übrigens sollte noch hinzugefügt werden, dass ein paar Tage vor dieser Behandlungskosten-Verordnung die nepalesische Regierung sich an ihre Bevölkerung gewandt hatte, um eindringlich den Menschen zu raten, NICHT in die Krankenhäuser zu kommen, sofern sie nicht „bewusstlos“ oder „an der Schwelle zur Bewusstlosigkeit“ stehen bzw. taumeln…

Das steht nicht unbedingt im Einklang mit der Entscheidung des Obersten Gerichts (Surpreme Court), wonach die nepalesische Regierung dazu verordnet wurde, Maßnahmen zur Diagnose und Behandlung kostenfrei den Menschen zur Verfügung zu stellen. Statt dem Obersten Gericht Folge zu leisten, macht die Regierung das exakte Gegenteil. Statt kostenfreier Behandlung gibt es nun volle Behandlungskosten.

In Anbetracht der Tatsache möchte man nun meinen, dass der nepalesische Staat kein Budget mehr fürs Gesundheitswesen hat. Schließlich dauert die Pandemie nun doch schon über sechs Monate an. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass während der gesamten Pandemie die nepalesische Bevölkerung ihrer Steuerlast nachkommen musste. Steuererleichterungen gab es keine!

Geld ist vorhanden – nur leider eben in den falschen Taschen

Als die nepalesische Regierung ihren Haushalt für das aktuelle (nepalesische Jahr) veröffentlichte, verkündete sie mit großem Stolz, dass sie aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie keine unnötig großen Ausgaben tätigte und einen sparsamen Weg eingeschlagen hätte. (Übersetzung von einem nepalesischen Freund aus der Pressekonferenz des Premierministers zum aktuellen Haushalt): „As the country is in the grip of COVID19 pandemic this time, a frugal policy will be adopted. No extra expenses will be made.“

Ich habe damals schon gesagt, dass ich das Selbstbewusstsein des Premierministers absolut bewundere. Wie er mit vollem Ernst hinter seinen Worten stehen konnte, während er doch weiß, dass die Zahlen zum aktuellen Haushalt für jeden öffentlich sind. Unter dem Punkt „Tea & Breakfast“ und „Allowance for goverment officials“ wurden insgesamt Ausgaben in Höhe 20 Milliarden(!!!) Rupien getätigt. Ich rechne ihm auch extra hoch an, dass er keinen Grund sah, die extrem verschwenderische Summe zu vertuschen. Respekt!


Der Original-Beitrag meiner Freunde aus Nepal

„As per the decision of the Ministry of Health and Population, the patients undergoing treatment for corona infection in this hospital will have to bear the entire cost themselves with effect from 2 October 2077. Also, the food will be available at the hospital, canteen with cash deposit.“

  • Patient with mild symptoms shall pay Rs. 3500 per day (General Ward)
  • Patient with more symptoms shall pay Rs. 7500 per day (High Dependency Unit)
  • Patient with extreme symptoms shall pay Rs.15000 per day (Intensive Care Unit)

This is a rough translation of a notice circulated by one of the public hospitals in Kathmandu. It is worth remembering that government issued a notice few days ago to not come to the hospital unless the patient is unconscious or on the verge of fall unconscious.

While the COVID19 cases are just starting to surge in our country, the government has given up & raised their hands instead of being more responsible. Moreover, the government has decided to withdraw from the treatment cost for COVID-19 patients.

The right to health is protected in the constitution of Nepal as a fundamental right. Fundamental rights are undeniable. But the government has taken a stand against the fundamental right to health. Article 35 (1) of the Constitution states that every citizen shall have the right to receive free basic health care from the state and no one shall be deprived of emergency health care.

A writ petition was filed in the Supreme Court of Nepal with the demand of more effective & efficient diagnosis & treatment of Covid-19 patients; as a result the court had ordered the government to immediately attend to the current health threats to the general public for free. The order states that the government cannot and will not be indifferent to the right to life of the people. Interestingly, this decision of the government has come after a week of the Supreme Court’s order. The current government has very clearly ignored and overlooked the Supreme Court’s order. One should not forget that the public has been paying hefty taxes to the government even in this pandemic and there has been no tax reduction in any sector from the government’s side.         

While presenting the budget for the current fiscal year, the government proudly announced, „As the country is in the grip of COVID19 pandemic this time, a frugal policy will be adopted. No extra expenses will be made.“

A considerable amount of the budget has been spent by the current government for „tea & breakfast“ (20 billion) & allowance for government officials. But the government has cast away the citizens while the coronavirus cases have just started to surge. Meanwhile, according to some sources, the government still has about Rs 232 billion in Government’s coffer as „Corona emergency fund“. Hence clearly the government doesn’t lack money but lacks responsibility, sensitivity & morality.

Folge uns Khai-Thai:

Namasté! Schön, dass Du meinen Nepal Blog gefunden hast. Ich heiße Khai-Thai, ich bin in Deutschland geboren, meine Eltern stammen aus Vietnam, Frankfurt ist meine Heimat und Nepal mein Zuhause. Seit 2011 besuche ich das wundervolle Land für mehrere Monate im Jahr und engagiere mich für unsere Hilfsprojekte vor Ort. In diesem Nepal Blog schreibe ich über meine Eindrücke, Erfahrungen, Anekdoten und Projekte - Einfach mein-Nepal eben ;)

4 Antworten

  1. Osswald

    Hallo Khai-Thai,
    Die Familie, welche ich auch unterstütze, soweit ich kann, war komplett von Covid betroffen. Die Großmutter am stärksten. Sie musste etliche Zeit in eine Privatklinik um zu überleben, da die staatlichen Krankenhäuser niemand aufgenommen haben.
    Die Familie ist eh schon am Existenzminimum und hat sich nun hoch verschulden müssen um die Erkrankung überleben zu können. 15.000 Schweizer Franken. Dazu kommen nun laufende Kosten für ein Sauerstoff Gerät von 700 Eur, wovon immer ein zweites Gerät vorhanden sein muss.
    Mir fehlen einfach die Worte, ob der staatlichen Information, das nun auch noch die Kosten für staatliche Krankenhäuser selbst von den Betroffenen gezahlt werden sollen. Ich bin traurig und hilflos. Ich kenne soviele Nepalesen mit denen ich in Kontakt bin, welche uns Überleben kämpfen. Teilweise noch nicht einmal wissen wie sie an Lebensmitteln kommen. Und wir in der westlichen Welt haben Sorge um Klopapier. Einfach ohne Worte

    • Khai-Thai

      Ja, das ist alles so ungemein schrecklich, wenn man in Nepal schwer erkrankt. Verschuldung gehört in Nepal aktuell zu einem weiteren Problem, dass sich für die Familien erst in der nächsten Zukunft ausgiebig zeigen wird. Schlimm, dass es keine staatliche Unterstützung für Erkrankte gibt. Die Kosten, die Du schilderst, sind so extrem und für ein Entwicklungsland wie Nepal in keiner Relation. Wie soll sich die einfache Bevölkerung das leisten können?!
      Man ist tatsächlich hilflos und muss hoffen, dass der nepalesische Staat sich endlich mehr um seine Bevölkerung kümmert. Die meisten Menschen hier wissen gar nicht, was es heißt in Misere zu leben, sind aber diejenigen die am lautesten rufen…
      Ich wünsche Dir und Deinen Freunden in Nepal ganz viel Kraft!!

  2. Bernd Körner

    Hallo Khai-Thai, ich verneige mich vor Dir und Deinem Mitgefühl, für das Leid was in Nepal passiert. Ich schicke Dir meine liebende Güte und Zuneigung, damit Du noch mehr Kraft bekommst. Namaste aus Büren von Bernd Körner

    • Khai-Thai

      Namaste Bernd, vielen Dank für Deine warmen Worte! Es ist für mich aus der Ferne so schwer nachzuvollziehen, was meine Freunde in Nepal durchmachen mussten. Ich hoffe, dass es nicht erneut zu einem Lockdown kommen wird und hoffe, dass die Zahl der schweren Krankheitsverläufe in Nepal niedrig bleibt…
      Danke für Dein Mitgefühl und ganz lieben Gruß!
      Khai-Thai

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