Vieles hat sich in den vergangenen Monaten verändert – leider nicht immer nur zum Guten. So viel sogar, dass ich keine Antwort parat hatte, als mir die Standardfrage gestellt wurde, wo ich mich denn in den nächsten fünf Jahren sehen würde. Beruflich? Ehrenamtlich? Privat? Nicht so leicht zu beantworten. Schon längst hat Nepal diese Bereiche in ein undurchdringliches und untrennbares Geflecht verknüpft, das mit all seiner Macht mein Leben bestimmt…
Wo sehe ich mich nun in 5 Jahren?
Ich weiß es echt nicht. Bis dahin kann so viel passieren. Alles ist möglich, wenn selbst innerhalb von nur 10 Tagen die harte Arbeit von 100 Tagen komplett zerstört werden kann…
Und wo sehe ich mich dann in 3 Jahren?
Sommer 2019. Ich werde mich nie an die drückende Luftfeuchtigkeit während des Monsuns gewöhnen. Als mein Projektpartner und ich die kleine Lehmhütte des Dorfältesten betreten, klebt meine Kleidung bereits am ganzen Körper. Ich frage mich, wie Nepalesen es schaffen, während des Sommers ihre Jacken anzubehalten. Im fließenden Nepalesisch begrüße ich im halbblinden Zustand unseren Gastgeber. Der plötzliche Kontrast zur grellen Außenwelt schmerzt mir noch in den Augen. Die kühle Brise, die mich im Inneren des Hauses empfängt, lässt mich aber meinen Schmerz vergessen. Tee und Kekse werden uns gereicht. Im Namen seines gesamten Dorfes wolle sich der Älteste bei unseren Organisationen bedanken. Doch bis jetzt haben wir hier noch nichts geleistet. Mein Projektpartner und ich wissen, was für ein steiniger und langer Weg es noch sein wird. Schließlich ist es nicht unsere erste Schule, die wir gemeinsam in einem nepalesischen Dorf bauen werden…
Wo sehe ich mich in 2 Jahren?
Sommer 2018. Mit einem Glas Whiskey genieße ich auf der Hotel-Dachterrasse den Abstand zu dem Trubel, der noch wenige Stunden zuvor herrschte. Es ist eine laue, wolkenlose Sommernacht. Leider wird aber die Leuchtkraft der Sterne durch das Lichtermeer der Großstadt überflutet. Der Stern unserer Hilfsorganisation könnte hingegen am heutigen Abend aufgegangen sein – je nachdem, ob ich bis zum Jahresende meinen Worten Taten folgen lassen kann. Der erste Schritt ist bereits heute getan worden. Die von unserem Kooperationspartner organisierte Spendenveranstaltung war ein voller Erfolg gewesen. Die benötigte Spendensumme, um eine Schule in einem entlegenen Dorf Nepals zu bauen und diese für mindestens die nächsten drei Jahre ab Schulbetrieb zu begleiten, wurde weit übertroffen. Nur noch gut ein Monat bis es los geht. Ich nehme einen letzten kräftigen Schluck. Ein letzter Blick in die Ferne. Ich küsse das Tattoo auf der Innenseite meines rechten Handgelenks, das ich mir während meiner neunten Nepal-Reise stechen ließ. Ein Ritual, das ich – immer wenn es ernst wird – seit zwei Jahren vollziehe. Das Schicksal wird entscheiden, so wie es die tibetischen Schriftzeichen auf meinem Handgelenk besagen…
Wo sehe ich mich in einem Jahr?
Sommer 2017. Wenige Wochen vor den großen Ferien drehen sich die Gedanken der angehenden Abiturienten längst nur noch um das Leben nach der Schule. Viele werden sich eine längere Auszeit gönnen. Gap-Year wird es genannt. Aber weil der zukünftige Arbeitgeber in einer „Leistungsgesellschaft“ nicht gerne Auszeiten sieht, muss die Auslandsreise mit etwas „Vernünftigen“ geschmückt werden – willkommen im Voluntourismus. Ich speichere meine Powerpoint-Präsentation ab, klappe meinen Laptop zu und genieße entspannt den Rest der Fahrt im ICE. Wieder einmal bin ich zu einer Schule unterwegs und kläre über die Problematiken der Freiwilligenarbeit auf, die von kommerziellen Anbietern vertrieben werden. Mittlerweile bin ich nämlich ein Experte auf diesem Gebiet geworden. Auf meiner Webseite nepal-freiwilligenarbeit.de informiere ich seit einem Jahr bereits über Missstände im Voluntourismus und gebe Hilfestellungen für Interessierte. Die kommerziellen Anbieter für Freiwilligenarbeit in Nepal haben mich als Feindbild entdeckt. Doch was werden sie erst unternehmen, wenn sie erfahren, dass ich in den nächsten Monaten vor Ort in Nepal investigativ gegen sie recherchieren werde?!
Fortsetzung folgt
Die Glaskugel hat mir noch mehr gezeigt 😛
Demnächst dann ein Blick für das restliche Jahr 2016. Ich bin gespannt ^^
Man darf ja wohl noch träumen dürfen…
Ein Traum ist unerlässlich, wenn man die Zukunft gestalten will.
Victor-Marie Hugo
Die Fortsetzung meines Eintrags findet sich unter: Ein Blick in die Zukunft… (2).
Ein Blick in die Zukunft… (2) | Der mein-Nepal Blog
[…] Die Fortsetzung meines Eintrags vom 29.05.2016, Ein Blick in die Zukunft… (1). […]