Für diejenigen, die etwas tiefer in die nepalesische Kultur eintauchen möchten, ohne dabei auf trockene Lehrbücher zurückgreifen zu müssen, kann ich „Rot – Menschen in Kathmandu“ von Milda Drüke nur wärmstens empfehlen. Die Autorin verbrachte fünf Monate bei einer jungen nepalesischen Familie und entführt uns mit ihren gemachten Erfahrungen in den faszinierenden Alltag einer uns fremden Welt.
Milda Drüke schafft es eindrucksvoll von dem zu berichten, was „einfache“ Nepal-Touristen kaum zu Gesicht bekommen werden.
Im Vordergrund ihres Buches steht der familiäre Alltag in einem Land, das tief in seine religiösen Traditionen, Sitten und Bräuche eingebettet ist. Die Autorin lernt archaische Hindutraditionen kennen, die für die nepalesische Frau eine bestimmte Rolle vorsehen und bestimmte Riten verlangen, um das Leben ihrer Ehemänner zu verlängern. Sie lernt den Konflikt kennen, denen sich junge Nepalesen in ihrem politisch neu formierten Land konfrontiert sehen. Ein Konflikt zwischen der Moderne und der Tradition – zwischen dem „persönlichem Wollen und kulturellem Sollen“.
Trotz der Tatsache, dass die „Unterwerfung“ und die Ehrung der nepalesischen Frauen ihren Ehemännern gegenüber dem (westlichen) Leser, womöglich schockieren mag, so versteht es die Autorin wertneutral, respektvoll und sensibel von der uns so fremden Kultur zu berichten!
Genau das macht meines Erachtens das Buch so lesenswert. Man lernt nicht nur unheimlich viel über die Kultur und unstabile politische Lage Nepals im Frühjahr 2008 kennen, vielmehr lernt man auch Toleranz, indem man die fremde Kultur nicht wertend gegenübersteht. So fremd sie auch uns erscheint, niemand sollte in ein fremdes Land reisen und denen, die Tag für Tag in diesem Land leben, erklären wie sie zu Leben haben. Milda Drüke schafft diesen Spagat und liefert uns bewegende und vor allem sehr authentische Einblicke in das „wahre“ Nepal.
Ich selbst weiß, wovon die Autorin schreibt und kann ihre Erfahrungen nur teilen. Schließlich habe ich von September 2011 bis März 2012 fast sieben Monate in Nepal gelebt und besuche das Land dank meiner aktuellen Aufgaben als ehrenamtlicher Vorsitz des Vereins hamromaya Nepal e.V. regelmäßig. Als ich in ihr Buch eintauchte, fühlte ich mich, als säße ich selbst wieder vor meiner nepalesischen Familie 🙂
Milda Drüke (2010):
„Rot – Menschen in Kathmandu“
Gebundene Ausgabe, 384 Seiten
1. Auflage
HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH
Printed in Germany
ISBN 978-3-455-50158-2
Ladenpreis: 22,00
Der Verlag über das Buch:
Nicht den touristischen Attraktionen gilt das Interesse der Autorin, sondern den Menschen in ihrem Konflikt zwischen »persönlichem Wollen und kulturellem Sollen«. Ihre studierten und europaerfahrenen Gastgeber erlauben ihr fünf Monate lang Einblick in höchst private Bereiche und Gewohnheiten einer archaischen Hindutradition inmitten eines modernen Alltags, zu dem Computer und Mikrowelle gehören und ein Sohn, der sich im Spiderman-Kostüm wohlfühlt. Nur dank der ihr gewährten Nähe offenbart sich der Autorin: Ihre weltoffene Gastgeberin unterwirft sich ihrem Ehemann, indem sie seine Füße mit der Stirn berührt. Sie trägt rote Glasarmreifen, wäscht donnerstags ihre Haare nicht und fastet regelmäßig um sein Leben zu verlängern. Ohne Erlaubnis darf sie nicht aus dem Haus. Stoisch ertragen sie und ihre Familie die Realität Kathmandus: Stromabschaltungen. Anstehen für Trinkwasser und Benzin. Streiks und Demonstrationen.
»Die fremde Welt eröffnet sich mir«, schreibt die Autorin, »wenn ich mit den Menschen, die sie schaffen, lebe. Wenn das Unbekannte im täglichen Miteinander einfach passiert. Darauf zu warten habe ich mir die Zeit genommen.«
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