Wenn jeder einzelne Gang zum Arzt Geld kostet…

Veröffentlicht in: Allgemeine Infos über Nepal | 0

Häufig bekomme ich die Frage gestellt, wie denn die medizinische Versorgung in Nepal sei. Meine Antwort hängt dann immer davon ab, wer mich letztendlich gefragt hat. Wenn angehende Reisende mehr über ihre Reisesicherheit wissen möchten, lautet meine Antwort ganz klar: Die medizinische Versorgung ist in Nepal super! Touristen haben in den Großstädten und in den beliebtesten Touristenzielen überhaupt nichts zu befürchten.

Eine moderne Klinik sucht man hier vergeblich.
Eine moderne Klinik sucht man hier vergeblich.

Wenn Leute allerdings mehr über die Strukturen des Landes erfahren möchten, ist meine Antwort eine andere. Ja, es gibt durchaus äußerst kompetente Ärzte und moderne Kliniken in Nepal. Doch leider hat der Großteil der nepalesischen Bevölkerung keinen Zugang zu dieser guten medizinischen Versorgung. Zum einen liegt es daran, das der Besuch beim Arzt mit einigen Kosten verbunden ist. Zum anderen liegt es auch daran, dass der Großteil der Bevölkerung eben nicht in den Städten wohnt, sondern im ländlichen, bergigen Raum.

Jeder Arztbesuch kostet Geld – mal mehr, mal weniger!

In Nepal gibt es keine Krankenversicherung. Jede Untersuchung, jede Behandlung, jedes Medikament kostet Geld. Die Höhe der Untersuchungskosten ist von Praxis zu Praxis unterschiedlich. So kann es zum Beispiel vorkommen, dass dieselbe Behandlung in einer Klinik 25 US-Dollar kostet und in einer anderen gerade einmal 3 US-Dollar.

Staatliche Kliniken und Krankenhäuser in Nepal

Im Tilganga Eye-Hospital Kathmandu (2013)
Im Tilganga Eye-Hospital Kathmandu (2013)

Diese immensen Preisunterschiede kommen dadurch zustande, dass das nepalesische Gesundheitssystem (wie auch das Schulsystem) in zwei Bereiche unterteilt ist. Es gibt einerseits staatliche, andererseits private Einrichtungen. Wie ihr euch sicherlich schon denken könnt, sind private Kliniken teurer als staatliche. Dennoch gibt es bei der ärztlichen Kompetenz sowie den Behandlungsmethoden kaum Unterschiede!

Aufgrund der günstigeren (vom Staat festgelegten) Behandlungskosten sind staatliche Kliniken häufig überfüllt. Es herrscht dort ein geordnetes Chaos, sodass man für eine Untersuchung und Folgebehandlung gut und gern mal einen halben Tag opfern muss.

Mit der Akte in der Hand wird gewartet...
Mit der Akte in der Hand wird gewartet…

Erhöhte Wartezeiten prägen einen Arztbesuch in einer staatlichen Praxis. Nichtsdestotrotz können sich in staatlichen Kliniken die Behandlungskosten auch schnell summieren. Zunächst muss man bezahlen, um allgemein untersucht zu werden. Dann zahlt man für die Untersuchung beim Spezialisten. Und zu guter Letzt werden kostenpflichtige Medikamente verschrieben. Selbst wenn ein solcher Prozess gerade einmal 500 Rupien (ca. 4,50€) kosten würde, wären dies 2 Tagelöhne für eine Familie aus der unteren Mittelklasse. Oftmals wird bei finanziell schwächeren Familien der Gang zum Arzt so weit hinausgezögert, bis die Krankheit ein kritisches Stadium erreicht hat…

Private Kliniken und Luxus-Praxen in Nepal

In privaten Kliniken geht es ruhiger zur Sache. Die höheren Behandlungsgebühren verschrecken viele Patienten aus ärmeren Familien. Deutlicher wird dies sogar in den Luxus-Kliniken der Großstädte, die eigens für Touristen sowie für ausländische „Entwicklungshelfer“ und Fachkräfte erschaffen wurden.

Ich selbst war 2011 in einer solchen Luxus-Praxis in Behandlung gewesen. Damals mussten wir (2 Deutsche, 1 Französin, 1 Dänin) einen Tuberkulose-Schnelltest in der Nobel-Klinik CIWEC durchführen lassen. Ich erinnere mich noch gut an den wunderschönen Eingangsbereich. An der Rezeption saß eine ältere Dame aus dem Westen. Sie hieß uns willkommen und knöpfte uns direkt jeweils 25 US-Dollar für den Schnelltest ab. Im Wartebereich reichte man uns ein Glas Wasser, während wir es uns auf den großen edlen Holz-Sesseln bequem machten. Der luxuriöse Glastisch trug Magazine und Zeitungen aus aller Welt. Als uns die amerikanische Ärztin „abholte“, fragte sie doch tatsächlich, ob wir nicht lieber von jemanden behandelt werden wollten, der oder die unsere Muttersprache spricht. Verrückt!

Und wie komme ich mit dem Gesundheitssystem in Nepal zurecht?

Abgesehen von meinem gezwungenen Kurzbesuch in der CIWEC Klinik, habe ich seit 2011 bis heute keine privaten Ärzte in Anspruch genommen. Ich war aber auch noch nie (wegen meiner Gesundheit) in einer staatlichen Klinik. Das lag sicherlich nicht daran, dass ich in Nepal noch nie krank gewesen war. Wenn Ihr wüsstet…

Die ganzen Erkältungen, die ich in den ersten Jahren fortlaufend hatte, zähle ich schon gar nicht mit. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Situation in der Snowland Schule, als ich dort plötzlich von Schüttelfrost übermannt wurde. Sonam Lhamo, eine Schülerin aus der 9.Klasse, stellte erschrocken fest, dass ich über 40°C Fieber hatte. Sie maß daraufhin noch einmal und stellte einen weiteren minimalen Anstieg fest: „Khai-Sir, Ihr Fieber ist ziemlich hoch. Wenn es weiter steigt, sterben Sie… Ich hole Medizin“. Wenigstens hat sie alles im Griff, dachte ich.

Das Ausmaß der "Katastrophe".
Das Ausmaß der „Katastrophe“.

Ich erinnere mich an meine heftigste Migräne-Attacke, die einfach nicht verschwinden wollte. Ich erinnere mich an Mückenstiche, die so sehr anschwollen, dass ich meine Hand nicht mehr ballen konnte.

Erst im vergangenen März hat sich mein rechter Zeigefinger so sehr infiziert, dass er doppelt so dick wurde wie mein linker. Ich konnte allerdings keinerlei Verletzung oder dergleichen erkennen. Ich vermutete aber, dass ich mich beim Packen der Mäppchen für das Schultaschen-Projekt meines hamromaya Nepal e.V. verletzt haben musste.

Als keine Besserung in Sicht war, bin ich zur Apotheke in unserer Nachbarschaft gegangen. Dort arbeitet nämlich auch ein Arzt, der kleine Untersuchungen durchführt. Er schnitt meinen Finger auf und entfernte sämtlichen Eiter. Insgesamt war ich innerhalb einer Woche für Nachuntersuchungen und Verbandswechsel viermal bei ihm gewesen. Für die gesamte Behandlung zahlte ich 650 Rupien (ca. 5,20€). Eine Summe, die für viele Nepalesen zu hoch wäre, um eine solche Lappalie wie einen entzündeten Finger überhaupt behandeln zu lassen…

Genau aus diesem Grund sind die Medical Camps meines Hilfsvereins so wichtig

hamromaya Nepal e.V. organisierte ein Medical Camp in einer Dorfschule in Nepal.
hamromaya Nepal e.V. organisiert Medical Camps in ländlichen Regionen Nepals.

Ein kleines bisschen Werbung für eines unserer Projekte: Medical Camps in Nepal. Da viele Menschen in entlegeneren Regionen Nepals kaum Zugang zu einer medizinischen Betreuung haben und aufgrund ihrer finanziellen Situation den Gang zum Arzt meiden, sind organisierte kostenfreie Medical Camps so wichtig! Mit unseren Medical Camps ermöglichen wir kostenfreie medizinische Versorgung für Menschen im ländlichen Nepal.

Wie sehr dies benötigt wird, sahen wir auch auf unserer Schultaschen-Reise nach Dolpa im September 2017. Jeder Dorfbewohner fragte uns nach Medikamenten in unserem Gepäck. Durchfall-Tabletten, Schmerztabletten und Aspirin hatten wir während unserer Projektreise nicht gebraucht und konnten es am Ende abgeben. Es war nicht wirklich viel, aber es zeigte uns wie dringend Medikamente benötigt wurden.


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Namasté! Schön, dass Du meinen Nepal Blog gefunden hast. Ich heiße Khai-Thai, ich bin in Deutschland geboren, meine Eltern stammen aus Vietnam, Frankfurt ist meine Heimat und Nepal mein Zuhause. Seit 2011 besuche ich das wundervolle Land für mehrere Monate im Jahr und engagiere mich für unsere Hilfsprojekte vor Ort. In diesem Nepal Blog schreibe ich über meine Eindrücke, Erfahrungen, Anekdoten und Projekte - Einfach mein-Nepal eben ;)

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