Ein Tropfen auf dem heißen Stein…

Veröffentlicht in: Gesellschaftskritik, Persönliches | 0

Es ist nicht das erste Mal, dass mich diese Bemerkung erreicht. Und es wird sicherlich auch nicht das letzte Mal werden. Ich fühle mich keineswegs dadurch angegriffen. Ich nehme die Bemerkung nicht als Vorwurf auf. Viele von euch haben doch ebenfalls diesen Gedanken im Kopf. Nur sprecht ihr diesen nicht aus. Vielleicht weil ihr meine Gefühle nicht verletzen möchtet. Vielleicht weil ihr mich nicht kränken wollt. Vielleicht aber auch weil ihr meine aufopferungsvolle Arbeit in Nepal nicht als umsonst dastehen lassen wollt.

Ich kann euch beruhigen. Ich stelle mir diese Frage auch ständig. Besonders wenn es mir mal schlechter geht; wenn ich absolut erschöpft bin; wenn ich mich einsam fühle; wenn ich mit meinem Schicksal hadere. Ich leite unsere Hilfsorganisation hamromaya Nepal e.V. praktisch alleine. Dies aber sehr erfolgreich – oder gerade deswegen so erfolgreich? Ich bin verantwortlich für sämtliche Projekte in Nepal. Ich schreibe fast alle Berichte. Ich bearbeite alle Projektfotos. Ich aktualisiere eigenständig unsere Webseiten. Ich bin Ansprechpartner für die täglichen Anfragen. Ich blogge über unsere Arbeit. Ich manage unseren Social Media Auftritt. Ich sammle alleine Spenden. Ich kümmere mich um unsere Spenderinnen und Spender. Ich bin für die Finanzen zuständig. Ich reise für mehrere Monate im Jahr nach Nepal. Und wozu? Für was ist das alles gut? Was bewirken unsere Projekte vor Ort?

Ich weiß, dass meine Arbeit in Nepal nur einen kleinen Tropfen auf dem heißen Stein darstellt. Wenn wir unsere Behindertenschule unterstützen, frage ich mich ständig, was für die vielen anderen Einrichtungen für behinderte Menschen getan werden könnte. Wenn wir unsere Partnerschulen mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen ausstatten, frage ich mich ständig, was mit den vielen anderen Schulen ist, die keine Hilfe bekommen. Wenn wir Medical Camps organisieren, frage ich mich ständig, wie viele Menschen in Nepal auf medizinische Versorgung warten. Wenn wir eine Patenschaft für die Bildung eines Kindes übernehmen, frage ich mich ständig, warum auch nicht für die anderen Kinder. Wenn wir eine Schule in einem Dorf bauen, frage ich mich ständig, wie viele Kinder in den entlegenen Regionen noch immer nicht zur Schule gehen können, weil es einfach keine Schule dort gibt. Wenn wir Schultaschen an Kinder in entlegenen Dörfern verteilen, frage ich mich ständig, wie viele Kinder weiterhin den kilometerlangen Schulweg mit den Büchern unterm Arm bewältigen müssen. Niemand braucht mir zu erzählen, dass meine Arbeit in Nepal nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist.

Ich weiß es. Und es quält mich! Es belastet mich, weil ich nicht möchte, dass unsere Hilfe eine Art Lotteriegewinn ist. Aber es geht leider nicht anders. Ich kann nur einigen wenigen Menschen helfen. Die Hilfsorganisationen können die Welt nicht von der Misere und Not befreien. Armut ist ein globales Problem, was die meisten Menschen nicht verstehen beziehungsweise nicht verstehen wollen. Ob das Problem gelöst werden kann, bezweifle ich. Jedenfalls nicht, so lange Wirtschaftsunternehmen ihre Interessen in der Politik durchsetzen können; so lange der Finanzsektor die Politik unter Druck setzen kann; so lange wir unseren gesellschaftlichen Status an Konsumgütern festmachen; so lange wir Wohlstand nur als monetäre Größe verstehen.

Diejenigen, die erkennen, dass meine Arbeit in Nepal nicht viel bewirkt, haben erkannt, dass die globale Armut schon so weit fortgeschritten ist und dass Hilfsaktionen nur einen Tropfen auf dem heißen Stein darstellen. Die Frage ist nun, ob ihr etwas gegen diese globale Ungerechtigkeit unternehmen wollt, indem ihr auch die kleinsten Projekte unterstützt oder stattdessen – weil es gemütlicher ist – alles beim Alten zu belassen.

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Namasté! Schön, dass Du meinen Nepal Blog gefunden hast. Ich heiße Khai-Thai, ich bin in Deutschland geboren, meine Eltern stammen aus Vietnam, Frankfurt ist meine Heimat und Nepal mein Zuhause. Seit 2011 besuche ich das wundervolle Land für mehrere Monate im Jahr und engagiere mich für unsere Hilfsprojekte vor Ort. In diesem Nepal Blog schreibe ich über meine Eindrücke, Erfahrungen, Anekdoten und Projekte - Einfach mein-Nepal eben ;)

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