Für einen kurzen Moment pures Glück

Es ist still um mich und mein-Nepal geworden. Der verlorene Sommer war in einem erinnerungsarmen Herbst übergegangen und warf mich in ein tiefes Loch, aus dem ich mich dank arbeitsintensiven Wochen und einer prägenden Begegnung nun langsam befreie.

Nepal spielte während dieser Zeit für mich nur eine untergeordnete Rolle. Die seit Monaten durch die ökonomische Blockade Indiens verursachte angespannte Situation in Nepal verfolgte ich daher nur sporadisch. Die Projektarbeiten unseres Vereins wurden glücklicherweise von engagierten Mitgliedern tatkräftig vorangetrieben. Derweil war ich auf der Suche nach mir selbst und ergründete längst vergessene Ereignisse aus meiner Vergangenheit. Die Gedanken kreisten besonders in der Nacht. Die Träume wurden immer intensiver; die Nächte immer kürzer. Jedes dieser vielen aufgedeckten Puzzle-Stücke formte sich nach und nach zu einem Mosaik, das als Erklärung für mein aktuelles Seelenleben dient. Niemand ist so wie man ist – man wird so!

Ich glaube an das Schicksal. Ich glaube – spätestens nach der Begegnung mit einem alten Mönch Ende September, dass alles aus einem gewissen Grund passiert. Ich glaube auch daran, dass jeder Mensch, der in dein Leben eintritt, dies aus einem bestimmten Grund tut. Wenn man diesen noch nicht erkennt, ist der Grund auch nicht gekommen…

Meine erste Reise nach Nepal passierte als Resultat von Ereignissen, von denen ich Abstand gewinnen musste. Ich hatte ordentlich Mist gebaut und Menschen verloren, die – zumindest für eine Periode – einen wichtigen Teil meines Lebens darstellten. Der Verlust dieser Menschen führte mich nach Nepal. Alles passiert aus einem gewissen Grund…

Und das Schicksal hilft mit

Es hätte jedes andere Land der Erde treffen können. Doch das Schicksal führte mich nach Nepal. Es hätte jede andere Einrichtung in Kathmandu treffen können. Doch das Schicksal führte mich nach Snowland, einer Heimschule für über 150 Kinder, die aus den entlegenen Himalaya-Regionen des Landes stammen. Die Kinder in Snowland wurden zu meinen Geschwistern und sind der Grund, warum Nepal mir wichtig geworden ist.

Dass der kleine Himalaya-Staat einen so beträchtlichen Teil meines Lebens einnehmen sollte, hätte von vornherein niemals vorausgesagt werden können. Obwohl mich im letzten halben Jahr viele Zweifel über meine Zukunft plagten, in denen ich mich ständig fragte, wie viel Sinn meine Arbeit in Nepal hat und wie viel Zeit ich in Zukunft für das Land noch investieren konnte; und obwohl Nepal in dieser Zeit nur noch eine Nebenrolle in meinem Leben spielte, sind die Erinnerungen immer präsent.

Immer wenn ich die Augen schließe, sehe ich mich um Boudha wandern. Ich spüre die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Ich blicke gegen den wolkenlosen Himmel und lasse alle Lasten fallen. Eine Ausgeglichenheit und Leichtigkeit durchströmt meinen Körper. Ich ertappe mich dabei wie meine rechte Hand kaum bemerkbar eine imaginäre Gebetsmühle zum Drehen bringt. Ich spüre das Metall an meinen Fingern. Ich höre das leichte Knattern der sich drehenden Gebetsmühlen. Im Hintergrund erklingt das Mantra „Om Mani Padme Hum“. Die bunten Gebetsfahnen wehen im Wind. Ich atme tief ein. In meiner Nase sammelt sich der Duft der Rhododendron-Blüten. Ich schmecke die intensiven Gewürze. Ich atme aus. Für einen kurzen Moment sind alle Sorgen des Alltags vergessen. Ich atme wieder tief ein. Ich rieche den Monsun und fühle wie er wild auf mich prasselt, während ich auf dem Geländer unseres Daches sitze und in die Ferne blicke. Ich spüre wie mein Seelenleben reingewaschen wird. Ich höre die Stimmen der Menschen, die mir in Nepal ans Herz gewachsen sind. Ich höre ihr Lachen. Ich spüre ihre Nähe. Für einen kurzen Moment empfinde ich pures Glück. Ich atme wieder aus.

Mit einem leichten Lächeln und einem starken Seelenfrieden öffne ich wieder meine Augen. Die verlorene Sehnsucht ist wieder da. Ich muss wieder nach Hause…

Frohe Weihnachten 🙂

 

Folge uns Khai-Thai:

Namasté! Schön, dass Du meinen Nepal Blog gefunden hast. Ich heiße Khai-Thai, ich bin in Deutschland geboren, meine Eltern stammen aus Vietnam, Frankfurt ist meine Heimat und Nepal mein Zuhause. Seit 2011 besuche ich das wundervolle Land für mehrere Monate im Jahr und engagiere mich für unsere Hilfsprojekte vor Ort. In diesem Nepal Blog schreibe ich über meine Eindrücke, Erfahrungen, Anekdoten und Projekte - Einfach mein-Nepal eben ;)

2 Antworten

  1. jagoda

    Hallo Kai,
    wir haben kurz bei nespresso zusammen gearbeitet 🙂 ich hoffe, dass wir im Kontakt bleiben ich werde dieses jahr für etwas längere zeit nach Nepal reisen. ich hoffe, dass wir etwas zusammen unternehmen können.
    lg jagoda shrestha

  2. Aufsperrdienst

    Nepal ist auch ein echt schönes Land, ich kann dich da schon verstehen, ich war selbst noch nie dort, aber von deinen Erzählungen, und von den Bildern die man immer sieht, scheint Nepal echt toll zu sein, irgendwann, wenn das Geld es zulässt, werde ich auch einmal nach Nepal reisen.

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